Das Abstimmungsbüro war im Hauptstadt-Brief vom 11. November

Von Jana Schmidt, 11. November 2023

Gestern Abend füllte ich meinen Stimmzettel für einmal nicht zwischen Abwasch und Altglasentsorgen aus, sondern in aller Ruhe, und vor allem: in Gesellschaft. Ich besuchte das «Abstimmungsbüro» wo sich Menschen mit und ohne Stimmrecht (und Stimmcouvert) gemeinsam über die Vorlagen austauschen. Der Anlass findet vor allen Abstimmungen und Wahlen statt. Er wird vom Netzwerk «Wir alle sind Bern» organisiert, das sich für die gesellschaftliche Teilhabe von Stadtbewohner*innen mit Migrationsgeschichte einsetzt. Die «Hauptstadt» hat schon einmal über das «Abstimmungsbüro» berichtet.

Bei Frühlingsrollen, Empanadas und Fruchtsaft kamen gestern etwa ein Dutzend Menschen – fast nur Frauen – im Haus der Religionen zusammen. An zwei Tischen diskutierten wir auf Deutsch, Englisch und Arabisch über die kommunalen Abstimmungen vom 19. Novembern.

Du hast selbst noch keinen Durchblick bei den Vorlagen? Dann empfehle ich dir den Kurz-Überblick der «Hauptstadt».

«3.5 Millionen für einen Spielplatz? Viel zu teuer!», sagte Wafua, Mutter von drei Kindern. Sie habe in Bern noch nie Spielplätze vermisst. Zahra, vierfache Mutter, war völlig anderer Meinung. Das Untermattquartier brauche unbedingt einen Begegnungsort. Am Schluss schwenkte Wafua um. Das Argument, dass die Stadt damit ein Grundstück in einer Wohnzone erwirbt, überzeugte sie. 
«Für den Hochwasserschutz lohnt es sich eher, Geld auszugeben als für den Spielplatz», sagte die 30-jährige Nur. Womit wir beim Budget waren: Denn angesichts der roten Zahlen würde die Stadt Bern besser gar kein Geld mehr ausgeben, fand die Mehrheit am Tisch. «Aber was passiert eigentlich, wenn man ein Budget ablehnt? Ändert das etwas?», fragte jemand in die Runde. Den meisten schien es vernünftig, es anzunehmen, wenn auch leicht kopfschüttelnd. Nur Zeinab, 19 Jahre alt, konnte sich nicht zu einem Ja durchringen. Sie müsse sich das nochmal überlegen. Sie macht eine Lehre bei der Stadtverwaltung. «Und ich friere im Büro, weil die Stadt sogar beim Heizen sparen muss!»Es war das erste Mal, dass ich mir zum Abstimmen so viel Zeit nahm. Und auch, dass ich mit mir unbekannten Menschen einen Abend lang über Gemeindepolitik sprach. Mein Fazit: So lustig war Stimmzettel-Ausfüllen noch nie.